Unternehmer- und
Freiberufler-Brief des Monats Januar 2010
Sehr geehrte Damen und
Herren,
der Ihnen nun vorliegende
Brief möchte Sie über wesentliche vollzogene oder geplante
Änderungen im Steuer- und Wirtschaftsrecht der letzten Monate
informieren und Ihnen Anlass bieten, auch bestehende Sachverhalte zu
überprüfen.
Bitte lesen Sie im
Einzelnen:
Inhalt
1.
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Keine
Umsatzsteuerbefreiung für Kanutouren
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2.
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Berichtigung
von vom Finanzamt übernommenen Fehlern von Stpfl.
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3.
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Eingriff
in den Gewerbebetrieb durch E-Mail
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4.
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Vorsteuerabzug
aus Rechnungen von Kleinunternehmern?
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5.
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Verwertung
von Sicherungseigentum
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6.
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Umsatzbesteuerung
in der Bauwirtschaft - Merkblatt neu aufgelegt
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7.
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Arbeitnehmer
dürfen im Urlaub im Geschäft des Ehegatten aushelfen
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8.
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Anwendung
von § 64 Abs. 2 GmbHG a. F. auf EU-Auslandsgesellschaften
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9.
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Leistungserschleichung
mit umfangreichen Konsequenzen
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10.
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Betriebsbedingte
Kündigung angestellter Anwälte in Großkanzleien
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11.
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Entschädigung
schwerbehinderter Bewerber bei Verfahrensfehlern
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12.
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Schadenersatz
wegen Verfügung von Alleingesellschafterin
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13.
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Unentgeltliche
oder verbilligte Flüge als Arbeitslohn
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14.
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Steuerpflicht
von Preisgeldern eines freiberuflich tätigen Architekten
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15.
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Abfindung
für Arbeitszeitreduzierung: Steuerbegünstigte Entschädigung
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16.
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Wettbewerbsverbote
in GmbH-Gesellschaftsverträgen und § 1 GWB
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17.
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Bauleistungen
- Neues zur Umkehr der Steuerschuldnerschaft
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18.
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BGH
erkennt Chapter-11-Verfahren als Insolvenzverfahren an
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19.
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Kfz-Nutzung:
Führt fehlendes Fahrtenbuch zwingend zur 1 %-Regel?
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20.
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Unternehmereigenschaft
juristischer Personen des öffentlichen Rechts
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21.
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Keine
Altregelung der Ansparabschreibung für Freiberufler im Jahr 2007
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22.
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Leerstand:
Vermietungsabsicht setzt zielgerichtete Maßnahmen voraus
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23.
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Haftung
von Bau-Generalunternehmern für Insolvenzgeld
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24.
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Arbeitgeber
dürfen Sonntagsarbeit anordnen
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25.
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OLG
Rostock: Qualifizierte Schriftformklausel verstößt gegen § 307
BGB
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26.
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AdV-Verfahren:
Anordnung einer Sicherheitsleistung
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1. Keine
Umsatzsteuerbefreiung für Kanutouren
Einführung Das
UStG befreit bestimmte Leistungen, wie z. B. die Beherbergung von
Jugendlichen, wenn sie von Einrichtungen erbracht werden, die die
Jugendlichen zum Zwecke der Erziehung, Fortbildung etc. aufnehmen.
Hinsichtlich der Frage, ob die Voraussetzungen der Steuerbefreiung
gegeben sind, entzündet sich regelmäßig Streit mit der
Finanzverwaltung.
Fall Ein
Unternehmer organisierte mehrtägige Kanutoren für Schulklassen.
Hierzu plante er die Touren, reservierte die Campingplätze, stellte
das nötige Material sowie einen fachkundigen Kanufahrer als
Begleiter. Die Schulklassen nahmen die Leistungen im Rahmen von
Projektwochen in Anspruch. Für die Projektplanung und -ausgestaltung
waren die Lehrer verantwortlich. Nach Ansicht des Unternehmers
dienten seine Leistungen der Jugendbetreuung bzw. -beherbergung. Er
behandelte sie daher als umsatzsteuerfrei, dem folgte die
Finanzverwaltung nicht. Hiergegen klagte der Unternehmer.
Neues Urteil Die
Klage scheiterte vor dem BFH aus mehreren Gründen. Zum einen fehlt
es nach Ansicht des BFH an der für die Steuerbefreiung notwendigen
Aufnahme der Jugendlichen durch den Kläger. Diese setzt eine
umfassende Betreuung durch den Kläger i. S. einer
Gesamtverantwortung für die Schulklassen voraus. Letztere lag jedoch
bei den begleitenden Lehrern. Ferner erfüllen die Kanutouren nicht
den vom Gesetz geforderten Erziehungszweck. Dass mit den Kanutouren
auch Erziehungsleistungen verbunden sind, reicht nicht aus. Eine
Befreiung auf Basis des EU-Rechts lehnt der BFH ebenfalls ab, da
keine Anhaltspunkte vorliegen (z. B. die Kostenübernahme durch
staatliche Einrichtungen), dass der Kläger zu den begünstigten
Einrichtungen zählt.
Konsequenz Für
Unternehmen ist es schwer, im Dickicht der Steuerbefreiungen den
Durchblick zu halten. Unternehmen, die ähnliche Leistungen anbieten,
sollten deren steuerliche Behandlung im Vorfeld klären. Darüber
hinaus sollten die Unternehmen in ihre Verträge immer eine
Umsatzsteuerklausel aufnehmen, die es ihnen erlaubt, die Umsatzsteuer
nachzubelasten, wenn die Finanzverwaltung die Steuerbefreiung
verweigert. Bruttovereinbarungen sind zu vermeiden. Sie bergen das
Risiko, auf der Umsatzsteuer sitzen zu bleiben.
2. Berichtigung von vom
Finanzamt übernommenen Fehlern von Stpfl.
Kernaussage Eine
die Berichtigung nach den Vorschriften der Abgabenordnung (§ 129 AO)
ermöglichende offenbare Unrichtigkeit kann auch vorliegen, wenn das
Finanzamt eine in der Steuererklärung enthaltene offenbare
Unrichtigkeit des Steuerpflichtigen als eigene übernimmt. Die
Unrichtigkeit ist offenbar, wenn sie sich ohne weiteres aus der
Steuererklärung, den Anlagen sowie den Akten für das betreffende
Veranlagungsjahr ergibt.
Sachverhalt Die
Klägerin erzielt mit ihrem Handelsbetrieb Einkünfte aus
Gewerbebetrieb. Das beklagte Finanzamt forderte sie auf, ab Januar
1999 von der Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG zur
Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 1 EStG überzugehen und eine
Eröffnungsbilanz einzureichen. Die Bilanz zum 1.1.1999 wies einen
Gewinn von rd. 168.115 DM aus, der aus Hinzurechnungen des
Warenbestands resultierte. Die Einkommensteuererklärung der Klägerin
für 1999 wurde in 2001 mit der Anlage GSE eingereicht, die nur einen
Gewinn von 93.220 DM auswies. Dieser entsprach in etwa dem aus dem
Jahresabschluss zum 31.12.1999. Der Beklagte veranlagte die Klägerin
erklärungsgemäß mit bestandskräftigem Bescheid. Die spätere
Betriebsprüfung stellte fest, dass der Übergangsgewinn nicht in
diesem Bescheid erfasst worden war. Der Beklagte erließ einen
Änderungsbescheid und unterwarf den Übergangsgewinn der
Besteuerung. Die hiergegen gerichtete Klage blieb in allem Instanzen
erfolglos.
Entscheidung Die
Berichtigung des Einkommensteuerbescheides für 1999 war rechtmäßig.
Der Übergangsgewinn durfte der Besteuerung unterworfen werden. Nach
§ 129 AO darf die Finanzbehörde Schreib- und Rechenfehler und
ähnliche offenbare Unrichtigkeiten jederzeit innerhalb der
Verjährungsfrist berichtigen. Letztere lag auch hier vor, weil das
beklagte Finanzamt eine in der Steuererklärung enthaltene offenbare
Unrichtigkeit der Klägerin als eigene übernahm. Diese lag in der
nicht berücksichtigten Tatsache, dass ein Übergangsgewinn durch den
Wechsel der Gewinnermittlungsart bei der Klägerin entstanden war und
diese ihn zwar in der Eröffnungsbilanz, nicht aber in ihrer
Einkommensteuererklärung 1999 erklärt hatte. Diese offenbare
Unrichtigkeit hätte der Sachbearbeiter des Beklagten auch unschwer
erkennen können, sie beruhte also nicht auf einer unzureichenden
Sachaufklärung.
3. Eingriff in den
Gewerbebetrieb durch E-Mail
Einführung Unternehmen
erhalten zunehmend Werbe-E-Mails, was angesichts der Vielzahl
regelmäßig als störend empfunden wird. Streitig war, ob bereits
die einmalige Zusendung einer derartigen E-Mail einen
Unterlassungsanspruch gegen den Versender auslöst.
Entscheidung Die
Klägerin erhielt von der Beklagten eine E-Mail in Form eines
Newsletters mit Informationen für Kapitalanleger. Da die Beklagte
sich weigerte, eine Unterlassungserklärung abzugeben und lediglich
erklärte, von einer weiteren Zusendung abzusehen, erhob die Klägerin
Klage auf Unterlassung. Aufgrund der Auflösung der Klägerin während
des Revisionsverfahrens erklärten die Parteien die Hauptsache für
erledigt, so dass nur noch über die Kosten zu entscheiden war. Der
BGH hat der Beklagten die Kosten des Rechtsstreits auferlegt.
Angesichts des mutmaßlichen Ausgangs des Verfahrens zu Lasten der
Beklagten habe diese auch die Kosten zu tragen. Es bestehe ein
Unterlassungsanspruch aufgrund eines Eingriffes in das Recht am
eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb. Die Zusendung ohne
vorherige Einwilligung des Empfängers stelle einen unmittelbaren
Eingriff in den Gewerbebetrieb dar. Denn unverlangt zugesandte
E-Mail-Werbung beeinträchtige regelmäßig den Betriebsablauf. Mit
dem Sichten und Aussortieren unerbetener E-Mails sei ein zusätzlicher
Arbeitsaufwand verbunden. Zudem könnten, soweit kein festes Entgelt
vereinbart sei, zusätzliche Kosten für die Herstellung der
Online-Verbindung und die Übermittlung der E-Mail durch den Provider
anfallen. Die Zusatzkosten für eine einzelne E-Mail könnten zwar
gering sein. Anders falle die Beurteilung aber aus, wenn es sich um
eine größere Zahl unerbetener E-Mails handle oder wenn der
Empfänger der E-Mail ausdrücklich dem weiteren Erhalt von E-Mails
widersprechen müsse. Mit der häufigen Übermittlung von
Werbe-E-Mails ohne vorherige Einwilligung des Empfängers durch
verschiedene Absender sei aber immer dann zu rechnen, wenn die
Übermittlung einzelner E-Mails zulässig sei. Denn im Hinblick auf
die billige, schnelle und durch Automatisierung arbeitssparende
Versendungsmöglichkeit sei ohne Einschränkung der E-Mail-Werbung
mit einem immer weiteren Umsichgreifen dieser Werbeart zu rechnen.
Konsequenz Zur
Vermeidung von rechtlichen Schritten, insbesondere von Abmahnkosten,
sollten Versender von Werbe-E-Mails unbedingt sicherstellen, dass von
jedem gewerblichen Empfänger eine Einwilligung hierzu vorliegt.
4. Vorsteuerabzug aus
Rechnungen von Kleinunternehmern?
Einführung Da
von Kleinunternehmern keine Umsatzsteuer erhoben wird, dürfen sie
auch keine Umsatzsteuer in Rechnungen ausweisen. Beachten sie dies
nicht und weisen dennoch Umsatzsteuer aus, schulden sie diese dem
Finanzamt. Dem Rechnungsempfänger steht ein Vorsteuerabzug jedoch
nicht zu. Allerdings können Kleinunternehmer auch zur Umsatzsteuer
optieren.
Fall Ein
Kleinunternehmer stellte Kleinbetragsrechnungen (≤ 150 EUR) mit dem
Vermerk aus "in diesem Betrag sind 16 % Mehrwertsteuer
enthalten". Das Finanzamt sah hierin eine Option zur
Umsatzsteuer und setzte entsprechend Umsatzsteuer fest. Der
Kleinunternehmer klagte hiergegen, da er nicht die Absicht hatte, zur
Umsatzsteuer zu optieren. Ebenso sah er in seinen Rechnungsvermerken
keinen unberechtigten Ausweis von Umsatzsteuer, der Anlass für eine
Nachforderung des Finanzamtes wäre.
Neues Urteil Nach
Ansicht des Hessischen FG liegt ein unberechtigter Ausweis von
Umsatzsteuer nur bei unzutreffender Angabe eines Steuerbetrages,
nicht jedoch bei Angabe des Steuersatzes vor. Dem steht auch nicht
entgegen, dass eine solche Rechnung den Vorsteuerabzug ermöglicht.
Ob der Ausweis des Steuersatzes als konkludenter Verzicht auf die
Kleinunternehmerregelung zu werten ist, lässt das FG offen, da ein
solcher Verzicht gegenüber dem Finanzamt hätte erfolgen müssen. Da
dies nicht gegeben war, schuldete der Kläger keinerlei Umsatzsteuer.
Konsequenz Die
Systematik des UStG setzt grundsätzlich voraus, dass zu jedem
Vorsteuerabzug eine korrespondierende Umsatzsteuerschuld existiert.
In der vorliegenden Konstellation sieht das FG eine Lücke im UStG,
die nur vom Gesetzgeber geschlossen werden kann. Da in den Rechnungen
zwar Hinweise auf etwaige Steuerbefreiungen aufzunehmen sind, jedoch
nicht zwingend auf die Kleinunternehmerregelung, besteht keine
Möglichkeit für den Leistungsempfänger festzustellen, ob eine
Kleinbetragsrechnung von einem regulären Unternehmer ausgestellt
wurde. Dem Urteil entsprechend dürfte dies, zumindest bei
Unkenntnis, dem Vorsteuerabzug nicht entgegenstehen.
Kleinunternehmer, die sich Nachfragen ersparen wollen, sollten in der
Rechnung entweder auf die Angabe des Steuersatzes verzichten oder auf
die Anwendung der Kleinunternehmerregelung hinweisen.
5. Verwertung von
Sicherungseigentum
Einführung Wird
Sicherungseigentum an beweglichen Gegenständen eingeräumt, so
stellt dies keine Lieferung dar. Erst bei Verwertung des zur
Sicherheit übereigneten Gegenstandes ergibt sich eine Lieferung.
Verwertet der Sicherungsnehmer (z. B. Bank) den Gegenstand durch
Verkauf ergibt sich ein Doppelumsatz. Der Bankkunde liefert an die
Bank, diese wiederum an den Erwerber des Gegenstandes. Erfolgt die
Veräußerung durch den Bankkunden im eigenen Namen, aber im Auftrag
und für Rechnung der Bank, liegt sogar ein Dreifachumsatz vor. Die
korrekte Abrechnung dieser Umsätze stellt die Praxis vor erhebliche
Probleme. Entsprechend ergibt sich hier für die Betriebsprüfung ein
reichhaltiges Betätigungsfeld.
Sachverhalt Ein
Teppichhändler hatte seiner Bank zur Absicherung zweier Darlehen
sein Warenlager übereignet. Die Verwertung durch die Bank durfte
erst nach Androhung einer Nachfristsetzung erfolgen. Nachdem sich die
wirtschaftliche Lage des Teppichhändlers verschlechtert hatte,
einigte er sich mit der Bank darauf, einen Sonderausverkauf
durchzuführen. Die Erlöse aus diesem Verkauf wurden
vereinbarungsgemäß zur Rückführung der bestehenden Darlehen an
die Bank überwiesen. Das Finanzamt sah in dem Ausverkauf
Doppelumsätze (Bankkunde an Bank und Bank an Erwerber) und setzte
Umsatzsteuer gegenüber der Bank fest; diese klagte hiergegen.
Neues Urteil Nach
Ansicht des BFH können Doppel- oder Dreifachumsätze erst mit
Verwertung nach Eintritt der Verwertungsreife vorliegen. Im Fall lag
diese aufgrund der ursprünglichen Sicherungsabrede nicht vor, da die
Bank erst nach Androhung einer Nachfristsetzung zur Verwertung befugt
war. Mit Vereinbarung des Sonderausverkaufs ergab sich jedoch eine
neue Situation. Da der Erlös des Verkaufs zur Tilgung der Darlehen
verwendet werden sollte, lag die erforderliche Verwertungsreife vor,
so dass von Dreifachumsätzen auszugehen war.
Konsequenz Der
BFH hat seine Rechtsprechung hinsichtlich der Frage der Abgrenzung
zwischen "normalen" Umsätzen und Mehrfachumsätzen
geändert. Letztere wurden nach der bisherigen Rechtsprechung schon
bei Veräußerung des Sicherungsgutes und Weiterleitung des
Verkaufspreises an die Bank angenommen. Nunmehr setzt dies die
Verwertung nach Eintritt der Verwertungsreife voraus. Veräußerungen
vor diesem Zeitpunkt sind als normale Lieferungen des Bankkunden an
den Erwerber zu behandeln.
6. Umsatzbesteuerung in
der Bauwirtschaft - Merkblatt neu aufgelegt
Einführung Die
Umsatzbesteuerung von Bauunternehmen weist eine Menge Tücken auf,
deren Nichtbeachtung teuer werden kann. Typische Sachverhalte, die
bei Betriebsprüfungen regelmäßig zu Mehrergebnissen führen, sind
z. B. die zu späte Anmeldung der Umsatzsteuer, die Nichtbeachtung
der Umkehr der Steuerschuldnerschaft sowie unzutreffende
Schlussrechnungen.
Neue
Verwaltungsanweisung Das BMF hat nun sein Merkblatt zur
Umsatzbesteuerung in der Bauwirtschaft neu aufgelegt. Es behandelt
übersichtlich alle für die Bauwirtschaft relevanten Bereiche: -
Abgrenzung von Werklieferung zu Werkleistung, - Teilleistungen, -
Entstehung der Steuer, - Ermittlung des Entgeltes, - Ausstellung von
Rechnungen und Vorsteuerabzug, - Steuerschuldnerschaft des
Leistungsempfängers etc.
Konsequenz Letztmalig
wurde das Merkblatt im Jahr 2004 aufgelegt. Die Neuauflage
unterscheidet sich hiervon insbesondere durch die ausführliche
Darstellung von Teilleistungen im Baugewerbe. Die korrekte Erfassung
von Teilleistungen war insbesondere bei Anhebung des
Umsatzsteuersatzes von 16 % auf 19 % zum 1.1.2007 von Bedeutung. Hier
hatten die Unternehmer, die gegenüber Privatkunden abrechneten, ein
hohes Interesse, ihre Leistungen noch zum geringeren Steuersatz
abzurechnen. Dies konnte durch die Vereinbarung von Teilleistungen
erreicht werden. Da demnächst die betroffenen Jahre 2006 und 2007 in
den Fokus der Betriebsprüfung geraten werden, liegt die Vermutung
nahe, dass dieses Schreiben hierzu als Grundlage dienen wird; ein
Grund mehr für die Bauwirtschaft, sich mit den Inhalten des
Schreibens auseinanderzusetzen.
7. Arbeitnehmer dürfen
im Urlaub im Geschäft des Ehegatten aushelfen
Kernfrage/Rechtslage Das
Bundesurlaubsgesetz sieht vor, dass der Urlaub des Arbeitnehmers
seiner Erholung dient. Entsprechend enthält das Gesetz das Verbot
einer dem Urlaubszweck widersprechenden Erwerbstätigkeit. Das
Landesarbeitsgericht Köln hatte nunmehr darüber zu befinden, ob
damit jede Art der Tätigkeit (hier: Mithilfe im Familienbetrieb)
verboten ist.
Entscheidung Die
Klägerin half ihrem Ehemann, der Keramik auf einem Weihnachtsmarkt
verkaufte, nach einer Erkrankung im Rahmen ihres vorab genehmigten
Urlaubs mit Verkaufstätigkeiten auf dem Weihnachtsmarkt. Der
Arbeitgeber war der Auffassung, dass diese Tätigkeit während des
Urlaubs dem Erholungszweck zuwiderlaufe und damit unzulässig sei,
weil sie zudem das Risiko einer Erkrankung erhöhe. Trotz
entsprechender Abmahnungen setzte die Klägerin ihre Tätigkeit fort.
Daraufhin kündigte der Arbeitgeber und unterlag zuletzt vor dem
Landesarbeitsgericht. Es liege kein Verstoß gegen die Regelungen des
Bundesurlaubsgesetzes vor. Nach Auffassung des Gerichts verbiete die
Vorschrift nicht etwa alles, was der Erholung abträglich sein
könnte. Arbeitnehmern sei es lediglich untersagt, die bezahlte
Freizeit zu nutzen, um die Einnahmen aus ihrer Arbeitskraft durch
Eingehung eines weiteren Erwerbsverhältnisses in doppelter Weise
auszunutzen. Eine unentgeltliche Mithilfe im Familienbetrieb stelle
aber keinen Verstoß dar. Dies gelte auch dann, wenn die Klägerin
eine Vergütung erhalten haben sollte. Zulässig sei ein Ausnutzen
der Arbeitskraft bis zur Höchstgrenze der erlaubten Arbeitszeit von
48 Stunden in der Woche, mithin für die Klägerin noch 11 Stunden
über ihre 37-Stunden-Woche hinaus.
8. Anwendung von § 64
Abs. 2 GmbHG a. F. auf EU-Auslandsgesellschaften
Kernaussage §
64 Abs. 2 GmbHG in der bis zum 31.10.2008 geltenden Fassung normiert
die Ersatzpflicht von Geschäftsführern für Zahlungen, die nach dem
Eintritt der Zahlungsunfähigkeit der GmbH oder nach Feststellung
ihrer Überschuldung geleistet werden. Die Regelung ist auf
Gesellschaften, die nach dem Recht eines anderen EU-Mitgliedstaates
gegründet wurden und im Inland eine Zweigniederlassung unterhalten,
anwendbar. Die Vorschrift ist als dem Insolvenzrecht zugehörig zu
qualifizieren.
Sachverhalt Der
Kläger ist Insolvenzverwalter über das Vermögen einer Ltd.
(Schuldnerin), die formal in London ansässig ist und eine im
Handelsregister eingetragene Zweigniederlassung in Berlin hat. Er
macht Ansprüche wegen Barabhebungen vom Konto der Schuldnerin
geltend. Die Beklagten sind der Director einer weiteren Ltd., die
wiederum Director der Schuldnerin ist, und der ständige Vertreter
der Schuldnerin. Als von deren Geschäftskonto erhebliche
Barabhebungen getätigt wurden, war die Schuldnerin bereits
zahlungsunfähig. Das LG hat der Klage stattgegeben und die Beklagten
als Gesamtschuldner verurteilt; es begründete dies mit einer Haftung
wegen existenzvernichtenden Eingriffs nach § 826 BGB. Das OLG
bestätigte die Entscheidung, stützt den Anspruch des Klägers
jedoch auf § 64 Abs. 2 GmbHG a. F.
Entscheidung Die
Bestimmung des § 64 Abs. 2 GmbHG a. F. war anwendbar, weil das
Insolvenzverfahren in Deutschland eröffnet worden war. Die
Vorschrift ist als Insolvenzrecht zu qualifizieren, obwohl sie -
historisch bedingt - im GmbHG angesiedelt ist. Im Insolvenzfall soll
das Leitungsorgan der GmbH in die Pflicht genommen werden, bei
Meidung eigener Ersatzpflicht das Vermögen der GmbH zu sichern,
damit es nach Verfahrenseröffnung ungeschmälert zur
Gläubigerbefriedigung zur Verfügung steht. Die Vorschrift ist auch
mit der Niederlassungsfreiheit (Art. 43, 48 EGV) vereinbar, sie
stellt keine Voraussetzung für die Errichtung einer
Zweigniederlassung in Deutschland auf, sondern knüpft lediglich
bestimmte Rechtsfolgen an ein bestimmtes Organverhalten, während die
Gesellschaft in Deutschland niedergelassen ist. § 64 Abs. 2 GmbHG a.
F. ist auf deutsche Gesellschaften ebenso anwendbar wie auf in
anderen Mitgliedstaaten gegründete und berührt diese weder
rechtlich noch tatsächlich in unterschiedlicher Weise. Die
Anspruchsvoraussetzungen waren hier erfüllt, weil die Schuldnerin
Zahlungen geleistet hatte, obwohl sie unstreitig zahlungsunfähig
war.
9. Leistungserschleichung
mit umfangreichen Konsequenzen
Kernaussagen Bei
einer Leistungserschleichung durch einen Versicherten darf die
Versicherung sowohl den Krankenversicherungsvertrag kündigen als
auch sämtliche weiteren Vertragsbeziehungen beenden. Sie ist nicht
verpflichtet, den Versicherten in einem anderen Tarif zu versichern.
Sachverhalt Der
bereits über 30 Jahre bei der beklagten Versicherung versicherte
Kläger hatte in 2005 Kostenvoranschläge in Höhe von rd. 1.100 EUR
für eine neue Brille eingereicht. Als Grund gab er "Ersatz für
Bruch und neue Glasstärke" an. Die Beklagte erbrachte die
Leistungen. Ende 2006 legte der Kläger erneut eine Brillenrechnung
vor und gab wiederum "Ersatz für Bruch" an. Nach
Aufforderung durch die Beklagte legte der Kläger eine beschädigte
Brille vor. Der beauftragte Sachverständige kam zu dem Ergebnis,
dass diese nicht mit den eingereichten Kostenvoranschlägen
übereinstimmte. Tatsächlich hatte der Kläger die Brille woanders
bezogen und Rechnungen gefälscht. Wegen Täuschung kündigte die
Beklagte den Versicherungsvertrag und auch einen
Pflegeversicherungsvertrag fristlos. Der Kläger klagte auf
Feststellung, dass beide Verträge nicht beendet seien; ferner auf
Verurteilung der Beklagten, ihn im Standardtarif für ehemals
selbstständig Versicherte aufzunehmen. LG und OLG wiesen die Klage
ab.
Entscheidung Die
Beklagte war berechtigt, den Versicherungsvertrag mit dem Kläger
fristlos zu kündigen. Ein Festhalten am Vertrag war der Beklagten
nicht zuzumuten, weil der Kläger in besonders schwerwiegender Weise
Versicherungsleistungen erschlichen hat. Den als Kostenerstattung
durch die Beklagte geleisteten Betrag hatte er im Rahmen seiner
Lebensführung anderweitig verbraucht. Angesichts dieses groben
Vertrauensbruchs war die Beklagte berechtigt, auch den
Pflegeversicherungsvertrag zu kündigen. Ein Versicherer kann die
fristlose Kündigung des Krankenversicherungsvertrages auch auf die
Pflegeversicherung erstrecken, wenn er aufgrund des Verhaltens des
Versicherten von einem irreparablen Vertrauensverlust ausgehen muss.
Hier bestand die Gefahr einer Leistungserschleichung durch
Täuschungsverhalten gleichermaßen. Ferner war die Beklagte
berechtigt, einen erneuten Vertragsabschluss mit dem Kläger im
gleichen Versicherungszweig abzulehnen.
10. Betriebsbedingte
Kündigung angestellter Anwälte in Großkanzleien
Kernfrage/Rechtslage Nach
ständiger Rechtsprechung der Arbeitsgerichte reicht es für eine
betriebsbedingte Kündigung nicht aus, dass es zu einem Umsatz- oder
Auftragsrückgang kommt. Ohne das Hinzutreten weiterer Umstände ist
eine hierauf gestützte Kündigung regelmäßig unwirksam. Regelmäßig
muss der Umsatzrückgang zum Wegfall eines Arbeitsplatzes führen.
Die Kündigung ist dann unter Sozialauswahlgesichtspunkten
auszusprechen. Das Arbeitsgericht Frankfurt am Main hatte nunmehr im
Dienstleistungsbereich darüber zu entscheiden, ob mit dem
Umsatzrückgang einhergehende Umstrukturierungen die betriebsbedingte
Kündigung erleichtern könnten.
Entscheidung Die
Klägerin war bei einem Dienstleister beschäftigt und dort in einer
Abteilung eingesetzt, in der es über den Zeitraum ihrer
Beschäftigung hinweg zu erheblichen Schwankungen in der
Produktivität gekommen war. Dabei unterlagen nicht nur die
Produktivität der Klägerin, sondern auch die ihrer Vorgesetzten und
Kollegen erheblichen Schwankungen. Mit Einsetzen der Wirtschaftskrise
verlagerten sich die Schwankungen dergestalt, dass die Produktivität
der Vorgesetzten und der Kollegen verhältnismäßig weniger
zurückgingen als die der Klägerin. Der Arbeitgeber kündigte daher
das Arbeitsverhältnis wegen Wegfall des Arbeitsplatzes, weil
Umstrukturierungen dazu geführt hätten, produktive Arbeiten, wie
von Kunden im Übrigen gewünscht, wieder den Vorgesetzten
zuzuweisen. Die Klägerin gewann mit ihrer Kündigungsschutzklage.
Der Arbeitgeber habe nicht hinreichend dargelegt, dass der
Arbeitsplatz der Klägerin aufgrund außer- oder innerbetrieblicher
Gründe weggefallen sei. Hinsichtlich der außerbetrieblichen Gründe
habe der Arbeitgeber alleine auf den Rückgang der produktiven (=
abrechenbaren) Arbeit abgestellt, wobei bereits zweifelhaft sei, ob
alleine auf die abrechenbare Arbeit abgestellt werden könne. Denn
die Klägerin schulde lediglich ein Tätigwerden, was sie unstreitig
in vollem Umfang erbracht habe. Außerdem könne sich der Arbeitgeber
nicht pauschal darauf berufen, dass die Kunden zunehmend eine
Beratung durch Vorgesetzte wünschten. Erforderlich wäre es gewesen,
darzulegen, welche Kunden dies wünschten. Auch die angeblichen
innerbetrieblichen Umstrukturierungen seien ungeeignet, die Kündigung
zu rechtfertigen, weil wechselnde Arbeitsbelastung im
Dienstleistungsbereich typisch sei. Schließlich hätte vor Ausspruch
einer Beendigungskündigung eine Änderungskündigung unter
Arbeitszeitreduzierung als milderes Mittel ausgesprochen werden
müssen.
Konsequenz Die
Entscheidung zeigt, dass die Arbeitsgerichte an ihrer ständigen
Rechtsprechung, der bloße Auftrags- und Umsatzrückgang rechtfertige
alleine noch keine betriebsbedingte Kündigung, branchenübergreifend
festhalten. Sie gilt insbesondere auch für den
Dienstleistungsbereich. Im Ergebnis muss es zum Wegfall eines
konkreten Arbeitsplatzes kommen. Dies gilt auch dann, wenn
Umstrukturierungen mit dem Umsatzrückgang einhergehen.
11. Entschädigung
schwerbehinderter Bewerber bei Verfahrensfehlern
Kernfrage/Rechtslage Das
Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz eröffnet einem wegen einer
Diskriminierung im Rahmen der Bewerberauswahl benachteiligten
Bewerber einen verschuldensunabhängigen Anspruch auf eine
Entschädigung gegenüber dem Arbeitgeber. Das Landesarbeitsgericht
Hessen hatte nunmehr darüber zu befinden, ob dieser Anspruch bei
Schwerbehinderten schon dann entsteht, wenn es nur aufgrund formeller
Fehler nicht zu einem Bewerbungsgespräch gekommen ist, obwohl das
Sozialgesetzbuch IX besondere Schutzregelungen für Schwerbehinderte
enthält.
Entscheidung In
zwei selbstständigen Verfahren hatte das Gericht über
Entschädigungsklagen Schwerbehinderter gegen öffentliche
Arbeitgeber zu entscheiden. Der Kläger hatte rund 120 Bewerbungen,
unter anderem an die beiden beklagten öffentlichen Arbeitgeber
geschrieben und erhielt jeweils eine Absage, ohne zuvor zum
Vorstellungsgespräch eingeladen worden zu sein. Mit seinen Klagen
rügte er die Verletzung der Verpflichtungen aus dem Sozialgesetzbuch
IX. Während der Kläger im ersten Verfahren gewann, verlor er das
zweite. Im ersten Verfahren urteilte das Gericht, dass der Kläger
eine Entschädigung verlangen könne, weil der öffentliche
Arbeitgeber ihn wegen seiner Behinderung benachteiligt hat. Denn er
habe den Kläger entgegen der Regelungen des Sozialgesetzbuches IX
nicht zum Vorstellungsgespräch eingeladen, obwohl der Kläger die
nach dem Anforderungsprofil in der Stellenanzeige geforderten
Voraussetzungen erfüllte. Zudem konnte der Arbeitgeber nicht
dokumentieren, aus welchen Auswahlgründen er den Kläger abgelehnt
habe. Dies könne im Verfahren nicht mehr nachgeholt werden. Im
zweiten Verfahren unterlag der Kläger, weil die unterlassene
Einladung zum Vorstellungsgespräch in diesem Fall unschädlich war,
da der Kläger für die ausgeschriebene Stelle objektiv nicht
geeignet war. Auch ein Verstoß gegen die gesetzlich vorgesehene
Beteiligung der Schwerbehindertenvertretung liege nicht vor. Zwar
habe der Beklagte die Schwerbehindertenvertretung erst spät über
den Eingang der Bewerbung des Schwerbehinderten informiert, dies sei
aber unschädlich, wenn die Schwerbehindertenvertretung noch so
rechtzeitig unterrichtet wird, dass sie bei der Vorauswahl die
Belange der schwerbehinderten Bewerber vertreten kann.
Konsequenz Öffentliche
Arbeitgeber müssen schwerbehinderte Bewerber, die für die
ausgeschriebene Stelle nicht offensichtlich ungeeignet sind, zum
Vorstellungsgespräch einladen. Sämtliche Arbeitgeber haben die
Pflicht zur Beteiligung der Schwerbehindertenvertretung, soweit eine
solche besteht. Um eine Benachteiligung allein wegen
Verfahrensfehlern zu vermeiden (widerlegbare Vermutung), wird
insbesondere auf die Dokumentation geachtet werden müssen.
12. Schadenersatz wegen
Verfügung von Alleingesellschafterin
Kernaussage Eine
Verfügung eines Alleingesellschafter-Geschäftsführers einer GmbH
über das Vermögen der GmbH kann nur dann eine Schadensersatzpflicht
nach § 43 Abs. 2 GmbHG auslösen, wenn der Geschäftsführer damit
gegen ein Verbot verstößt, das - wie § 30 oder 64 GmbHG - durch
eine Weisung der Gesellschafterversammlung nicht außer Kraft gesetzt
werden kann. Ein Verzicht durch Vertrag zugunsten Dritter ist nicht
möglich.
Sachverhalt Der
Beklagte, Alleingesellschafter und -geschäftsführer der klagenden
GmbH, verkaufte seinen Geschäftsanteil mit Wirkung zum 2.1.2006 an
einen Dritten. Ferner verkaufte er diesem am 28.10.2005 unter dem
Datum 26.10.2005 für 75.000 EUR einen Anspruch auf Rückzahlung
eines Gesellschafterdarlehens und trat die Forderung unter der
aufschiebenden Bedingung der Kaufpreiszahlung - ebenfalls fällig am
2.1.2006 - an ihn ab. In dem Vertrag hieß es: "Der Veräußerer
hat der GmbH ein Darlehen gewährt, das mit Stichtag 26.10.2005 i. H.
v. 200.000 EUR valutiert". Tatsächlich valutierte es zu mehr
als 240.000 EUR. Der Beklagte hatte eine Überweisung von 40.000 EUR
an sich veranlasst, die als Verwendungszweck die Angabe "Rückführung
Gesellschafterdarlehen" enthielt. Die Klägerin verlangt die
Rückzahlung der 40.000 EUR. Das LG wies die Klage ab, das KG gab ihr
statt. Der BGH stellte das erstinstanzliche Urteil wieder her.
Entscheidung Ein
Schadensersatzanspruch aus § 43 Abs. 2 GmbHG schied aus, weil der
Beklagte im Zeitpunkt der Veranlassung der Überweisung
Alleingesellschafter der Klägerin war. Eine Pflichtverletzung ist zu
verneinen, wenn die Gesellschafterversammlung den Geschäftsführer
zu dem später beanstandeten Verhalten anweist. Soweit dieser dadurch
nicht gegen gesetzliche Pflichten (z. B. §§ 30, 64 GmbHG) verstößt,
muss er die Weisung befolgen und ist nicht haftbar. Dies gilt erst
recht, wenn die GmbH nur einen Gesellschafter hat. Auch ein Anspruch
aus ungerechtfertigter Bereicherung schied aus, weil die Zahlung an
den Beklagten wegen des wirksamen Darlehensvertrages nicht ohne
Rechtsgrund erfolgte. Auf den Rückzahlungsanspruch hat der Beklagte
auch nicht verzichtet. Mangels Erlassvertrages wäre nur ein Verzicht
durch Vertrag zugunsten Dritter in Betracht gekommen, was aber nach
der Rechtsprechung des BGH nicht möglich ist. Anhaltspunkte für
eine Verpflichtung des Beklagten, den Rückzahlungsanspruch gegen die
Klägerin nicht geltend zu machen, bestanden ebenfalls keine.
13. Unentgeltliche oder
verbilligte Flüge als Arbeitslohn
Einführung Leistungen
des Arbeitgebers an den Arbeitnehmer, die nicht in Geld, sondern in
einem sonstigen geldwerten Vorteil bestehen und im weitesten Sinne
als Gegenleistung für das Zurverfügungstellen der individuellen
Arbeitskraft gewährt werden, stellen steuerpflichtigen Sachbezug
dar. Mit gleich lautenden Erlassen haben die Finanzministerien der
Länder zur Frage der Bewertung des Sachbezugs bei unentgeltlich oder
verbilligt gewährten Flügen Stellung genommen.
Kernpunkte des
Schreibens Soweit die Luftfahrtunternehmen ihren eigenen
Mitarbeitern unentgeltlich oder verbilligt Flüge überlassen und
keine Pauschalierung der Lohnsteuer erfolgt, richtet sich die
Bewertung des Sachbezugs nach § 8 Abs. 3 EStG. Ausgangspunkt für
die Sachbezugsermittlung ist danach der Angebotspreis vor üblichen
Preisnachlässen, der durch einen Bewertungsabschlag von pauschal 4 %
sowie einen Rabattfreibetrag von derzeit 1.080 EUR gemindert wird. In
allen anderen Fällen erfolgt die Bewertung des Sachbezugs gemäß §
8 Abs. 2 EStG mit dem um übliche Preisnachlässe geminderten
Endpreis am Abgabeort. Die Bewertung des Sachbezugs nach § 8 Abs. 2
EStG findet insbesondere auch dann Anwendung, wenn die
Luftfahrtunternehmen Arbeitnehmern anderer Arbeitgeber (z. B.
Mitarbeitern eines Reisebüros) Flüge unentgeltlich oder verbilligt
überlassen. Unter bestimmten Voraussetzungen kann der Sachbezug aber
auch durch den Ansatz von festgelegten Durchschnittswerten je
Flugkilometer ermittelt werden.
Konsequenz Dieser
Erlass ersetzt den bisherigen Erlass vom 1. Dezember 2006 und gilt
für Veranlagungsjahre ab 2010. Die wesentliche Änderung betrifft
die Neufestsetzung der Durchschnittswerte für Flugkilometer, die
insgesamt zu einem höheren steuerpflichtigen Sachbezugswert ab dem
Jahr 2010 führen.
14. Steuerpflicht von
Preisgeldern eines freiberuflich tätigen Architekten
Kernproblem Betriebseinnahmen
sind alle Zugänge in Geld oder Geldeswert, die durch den Betrieb
veranlasst sind. Den Gegensatz hierzu bilden Einnahmen, für deren
Zufluss nicht der Betrieb, sondern private Umstände die Veranlassung
geben. Das FG Münster hatte jetzt über die steuerliche Behandlung
der Preisgelder von freiberuflich tätigen Architekten zu
entscheiden.
Sachverhalt Die
Gesellschafter einer Architekten-GbR erhielten für die Planung und
Betreuung bereits abgeschlossener Bauprojekte anlässlich zweier
verschiedener Architektenwettbewerbe Preisgelder. Durch eine Bauspar
AG wurde ein Preisgeld im Rahmen des Wettbewerbs "Bauen für die
Zukunft" gewährt. Das Ministerium für Bauen und Verkehr des
Landes Nordrhein-Westfalen prämierte ein anderes Projekt mit dem
"Innovationspreis Wohnungsbau". Die Architekten gingen
davon aus, die Preisgelder gehörten nicht zu den Einnahmen aus
freiberuflicher Tätigkeit. Das Finanzamt dagegen sah eine
Betriebseinnahme und veranlagte dementsprechend.
Entscheidung Der
Senat sah die Preisgelder als betrieblich veranlasste Einnahmen an.
Bei den Wettbewerben seien typische Berufsleistungen eines
Architekten erbracht worden, die im sachlichen und wirtschaftlichen
Zusammenhang mit dem Betrieb gestanden hätten. Die erst
nachträgliche Prämierung sei unbeachtlich. Durch die Teilnahme an
den Architekturwettbewerben sei die bereits erbrachte Arbeit weiter
ausgenutzt worden. Anhaltspunkte für eine preisdotierte Würdigung
des Lebenswerks oder des Gesamtschaffens der Kläger lägen nicht
vor. Nur diese hätten zur Steuerfreiheit geführt.
Konsequenz Manche
in den Medien verfolgte Preisverleihung sieht man jetzt wohl mit
anderen Augen. Zumindest aus steuerlicher Sicht. Denn der
Preisträger, dessen Lebenswerk gewürdigt wird, heimst nicht nur den
meisten Beifall des Publikums ein, sondern auch einen Steuervorteil.
15. Abfindung für
Arbeitszeitreduzierung: Steuerbegünstigte Entschädigung
Kernproblem Zu
den einkommensteuerpflichtigen Einkünften zählen auch
Entschädigungen, die als Ersatz für entgangene oder entgehende
Einnahmen oder für die Aufgabe oder Nichtausübung einer Tätigkeit
gewährt werden. Die Entschädigungen werden aber als
außerordentliche Einkünfte tarifbegünstigt besteuert. Hintergrund
der gewährten Tarifbegünstigung ist der Umstand, dass sich der
Steuerpflichtige in einer Zwangssituation befindet und sich dem
zusammengeballten Zufluss der Einnahmen mit den damit einhergehenden
höheren steuerlichen Belastungen nicht entziehen kann.
Sachverhalt Eine
Arbeitnehmerin (Klägerin) schloss mit ihrem Arbeitgeber einen
Vertrag über die Reduzierung der wöchentlichen Arbeitszeit.
Gleichzeitig wurde vereinbart, dass die Arbeitnehmerin für die
Reduzierung der Arbeitszeit eine einmalige Teilabfindung erhalten
sollte. Entgegen der Ansicht der Klägerin vertraten Finanzamt und
auch Finanzgericht die Auffassung, dass es sich bei der Abfindung
nicht um eine tarifbegünstigte Entschädigung handele, da das
Arbeitsverhältnis nicht beendet wurde. Des Weiteren sei die
Abfindung auch keine Vergütung für eine mehrjährige Tätigkeit,
sondern für deren zukünftige Reduzierung.
Entscheidung des
BFH Der BFH folgte der Auffassung der Klägerin und wertete
die Teilabfindung als grundsätzlich tarifbegünstigte
Entschädigungszahlung. Nach ständiger Rechtsprechung des BFH müssen
Entschädigungszahlungen durch den unmittelbaren Verlust von
steuerbaren Einnahmen bedingt sein. Dies sei vorliegend erfüllt, da
die Abfindung als Ersatz für die durch die Verminderung der
Arbeitszeit entgehenden Einnahmen der Klägerin geleistet wurde. Aus
dem Gesetz lasse sich darüber hinaus nicht erkennen, dass eine
tarifbegünstigte Entschädigung zwingend die Beendigung der
Einkünfteerzielung verlangt, also die gänzliche Beendigung des
Arbeitsverhältnisses.
Konsequenz Das
Urteil ist eine nochmalige Klarstellung der bisherigen
Rechtsprechung. In vorliegendem Fall hat der BFH allerdings den
Sachverhalt zur erneuten Prüfung an das Finanzgericht
zurückverwiesen. Das Finanzgericht hat nun zu klären, ob die
Klägerin bei Änderung ihres Arbeitsvertrages unter rechtlichem,
wirtschaftlichem oder tatsächlichem Druck gehandelt hat. Dies ist
nach ständiger Rechtsprechung eine weitere zwingende Voraussetzung
für die Annahme einer tarifbegünstigten Entschädigung.
16. Wettbewerbsverbote in
GmbH-Gesellschaftsverträgen und § 1 GWB
Einführung In
GmbH-Gesellschaftsverträgen wird oftmals ein Wettbewerbsverbot zu
Lasten der Gesellschafter vereinbart. Wird ein Gesellschafter
gleichwohl auf demselben Markt tätig, wendet dieser regelmäßig
ein, ein solches Verbot sei unwirksam. In diesem Zusammenhang war
streitig, ob derart wettbewerbsbeschränkende Satzungsbestandteile
mit einer kartellrechtlichen Vorschrift (§ 1 GWB) vereinbar sind.
Entscheidung Die
Klägerin gründete zusammen mit einem Verlagskaufmann und einem
weiteren Gesellschafter die beklagte GmbH. Die Klägerin und der
weitere Gesellschafter geben Tageszeitungen heraus. Die Beklagte
verteilte im gleichen Gebiet Anzeigenblätter. Im
Gesellschaftsvertrag der Beklagten war bestimmt, dass
Grundsatzentscheidungen einen einstimmigen Beschluss der
Gesellschafterversammlung bedurften. Zu Lasten der Gesellschafter war
ein Wettbewerbsverbot vereinbart. Zwischen der Klägerin und den
anderen Gesellschaftern bestand Streit, weil die Klägerin über eine
Tochtergesellschaft eine Gratiszeitung herausgab. Die
Mitgesellschafter sahen darin einen Verstoß gegen das satzungsmäßige
Wettbewerbsverbot und beschlossen die Einziehung des Geschäftsanteils
der Klägerin. Hiergegen wandte sich die Klägerin. Das
Oberlandesgericht gab der Klage statt mit der Begründung, es läge
keine Pflichtverletzung aus dem Gesellschaftsvertrag vor, weil das
Wettbewerbsverbot gegen § 1 GWB verstieße und damit nichtig sei.
Dieser Annahme ist der Bundesgerichtshof nicht gefolgt.
Wettbewerbsbeschränkende Satzungsbestandteile würden nicht von § 1
GWB erfasst, wenn sie notwendig seien, um das im Übrigen
kartellrechtsneutrale Gesellschaftsunternehmen in seinem Bestand und
seiner Funktionsfähigkeit zu erhalten und davor zu schützen, dass
ein Gesellschafter es von innen her aushöhle oder gar zerstöre und
damit einen leistungsfähigen Wettbewerb zugunsten seiner eigenen
Konkurrenztätigkeit ausschalte. Entscheidend für die Anwendung des
§ 1 GWB sei eine Gesamtwürdigung aller für das konkrete
Gesellschaftsverhältnis wirksamen Umstände. Dabei komme es
insbesondere darauf an, ob der Gesellschafter in der Lage sei,
strategisch wichtige Entscheidungen zu blockieren. Dieses sei
vorliegend aufgrund des Einstimmigkeitserfordernisses für
strategische Unternehmensentscheidungen der Fall. Mit dem
Wettbewerbsverbot werde nicht der freie Wettbewerb eingeschränkt,
sondern geschützt.
Konsequenz Gesellschaftsverträge
sollten auch hinsichtlich der Fragestellungen im Zusammenhang mit dem
Wettbewerbsverbot mit anwaltlicher Hilfe erstellt und anschließend
regelmäßig überprüft werden.
17. Bauleistungen - Neues
zur Umkehr der Steuerschuldnerschaft
Einführung Zur
Sicherstellung des Steueraufkommens schulden Bauleister im Sinne des
§ 13b UStG die Umsatzsteuer aus Bauleistungen, die an sie erbracht
werden. Sie müssen die Umsatzsteuer errechnen, anmelden und an ihr
Finanzamt abführen. Korrespondierend hierzu steht ihnen
grundsätzlich der Vorsteuerabzug aus diesen Leistungen zu.
Neue
Verwaltungsanweisung Ergänzend zu den UStR 2008 hat das BMF
nun dargestellt, unter welchen Voraussetzungen Unternehmer als
Bauleister im Sinne des § 13b UStG anzunehmen sind. Neu sind hierbei
die folgenden Aussagen:
1. Bauleister sind
Unternehmen, die gemessen an ihrem Weltumsatz im vorangegangenen
Kalenderjahr zu mehr als 10 % Bauleistungen erbringen. Es sind daher
nunmehr neben den steuerbaren auch die nicht steuerbaren Umsätze zu
berücksichtigen.
2. Hat ein Bauleister
noch keine Bauleistungen erbracht, ist er, unabhängig von der 10
%-Grenze, schon als Bauleister anzusehen, wenn er beabsichtigt,
solche Leistungen zu erbringen. Allerdings wird gefordert, dass er
schon mit ersten Handlungen zur nachhaltigen Erbringung von
Bauleistungen begonnen hat und dies nach außen erkennbar ist.
3. Unternehmer, die
eigene Grundstücke zum Zweck des Verkaufs bebauen (z. B. Bauträger),
gelten grundsätzlich als Bauleister, es sei denn, sie tätigen
ausschließlich Grundstücksgeschäfte, die nicht als Bauleistungen
zu qualifizieren sind.
Konsequenz Die
neu formulierten Grundsätze sind ab dem 1.1.2010 anzuwenden.
Unternehmen, die bisher zutreffend nicht als Bauleister behandelt
wurden, können hierdurch zum Bauleister werden. Bauunternehmen
müssen daher prüfen, ob die Neuregelung für sie Konsequenzen hat.
Ergibt sich eine Änderung hinsichtlich der Qualifizierung als
Bauleister, fordert das BMF Korrekturen der Abrechnungen für
Leistungen, die über den Jahreswechsel hinaus erbracht werden.
Erhielt das Unternehmen z. B. bisher Abschlagsrechnungen, die brutto
ausgestellt wurden, da es in 2009 nicht als Bauleister galt, muss es
nach Erbringung der Leistung in 2010 diese im Rahmen der
Schlussrechnung korrigieren, wenn es nun als Bauleister gilt.
Hinweise darauf, wie die Erbringer der Bauleistungen noch erkennen
sollen, ob ihr Kunde Bauleister ist, gibt das BMF nicht. Hier darf
weiterhin nur netto fakturiert werden, wenn der Bauleister sich durch
eine im Zeitpunkt des Umsatzes gültige Freistellungsbescheinigung
als solcher zu erkennen gibt.
18. BGH erkennt
Chapter-11-Verfahren als Insolvenzverfahren an
Kernaussage Das
durch einen Antrag des Schuldners eingeleitete Verfahren nach Chapter
11 des US-amerikanischen Bankruptcy Code wird als Eröffnung eines
ausländischen Insolvenzverfahrens anerkannt. Die Einleitung des
Verfahrens bewirkt die Unterbrechung des
Nichtigkeitsberufungsverfahrens. Betrifft die Insolvenz das Vermögen
des Nichtigkeitsbeklagten, kann der Nichtigkeitskläger das
Berufungsverfahren jedenfalls nicht aufnehmen, bevor er bei den
zuständigen amerikanischen Gerichten um eine Aufhebung der
Unterbrechung (relief from the stay) nachgesucht hat.
Sachverhalt Die
Beklagte, ein US-amerikanisches Unternehmen, ist eingetragene
Inhaberin eines 1995 angemeldeten, auch für Deutschland erteilten
europäischen Patents. Die Klägerin wird aus dem Streitpatent in
Anspruch genommen und wurde erstinstanzlich unter Feststellung ihrer
Schadensersatzpflicht zur Unterlassung und Auskunftserteilung
verurteilt. Die Berufung blieb erfolglos. Mit der erfolgreichen
Nichtigkeitsklage griff die Klägerin das Streitpatent vollumfänglich
an; während des von der Beklagten angestrengten Berufungsverfahrens
hat diese sich an den US Bankruptcy Court gewandt, um in das
Verfahren nach Chapter 11 des Bankruptcy Code einzutreten. Die
Beklagte meint, das Berufungsverfahren sei damit unterbrochen.
Entscheidung Das
Nichtigkeitsberufungsverfahren war durch den Antrag nach Chapter 11
unterbrochen. Nach § 352 InsO wird durch die Eröffnung des
ausländischen Insolvenzverfahrens ein im Inland anhängiger
Rechtsstreit unterbrochen, der zur Zeit der Eröffnung anhängig ist
und die Insolvenzmasse betrifft. Die Anerkennung der Eröffnung des
ausländischen Insolvenzverfahrens ist zu versagen, wenn die Gerichte
des Staates der Verfahrenseröffnung nach deutschem Recht nicht
zuständig sind oder ein Verstoß gegen den deutschen ordre public
vorliegt. Das von der Beklagten eingeleitete Verfahren nach Chapter
11 ist ein Insolvenzverfahren i. S. d. InsO, denn es entspricht ihrer
Zielsetzung. Das Ziel der Befriedigung der Gläubiger wird nämlich
auch dadurch verfolgt, dass in einem Insolvenzplan Regelungen zum
Erhalt des Unternehmens getroffen werden. Das deutsche
Insolvenzplanverfahren ist dem amerikanischen Chapter-11-Verfahren
nachgebildet. Auch die Besonderheiten des Verfahrens - wie etwa kein
Nachweis eines Insolvenzeröffnungsgrundes oder die nur ausnahmsweise
Ernennung eines Verwalters - rechtfertigen nicht die Verneinung der
Einordnung als Insolvenzverfahren.
19. Kfz-Nutzung: Führt
fehlendes Fahrtenbuch zwingend zur 1 %-Regel?
Einführung Wer
behauptet, sein betriebliches Kfz ausschließlich betrieblich zu
nutzen, muss dies dem Finanzamt mittels Fahrtenbuch nachweisen.
Andere plausible Nachweise akzeptiert die Finanzverwaltung hingegen
bisher nicht. Fehlt daher ein Fahrtenbuch, wird die private Nutzung
gemäß der 1 %-Methode versteuert.
Fall Ein
Rechtsanwalt nutzte einen Porsche 911 für betriebliche Zwecke.
Gleichzeitig befand sich in seinem Privatvermögen ein Porsche 928
sowie zeitweise ein Volvo. Auf seine Ehefrau waren in dieser Zeit ein
Mercedes-Geländewagen sowie anschließend ein Chrysler Wrangler
zugelassen. Die 5 Kinder des Ehepaares waren minderjährig. Mangels
Führung eines Fahrtenbuches beabsichtigte das Finanzamt, den Porsche
911 der 1 %-Regel zu unterwerfen. Hiergegen wehrte sich der
Rechtsanwalt, mit dem Argument, dass für die Annahme einer privaten
Nutzung kein Raum sei, da ihm und seiner Ehefrau adäquate Fahrzeuge
im privaten Bereich zur Verfügung stünden.
Neues Urteil Das
FG des Landes Sachsen-Anhalt folgt der Argumentation des Klägers.
Das Halten zweier gleichwertiger Fahrzeuge im Privatvermögen wäre
nach Ansicht des FG vollkommen unsinnig, wenn der Porsche 911 für
Privatzwecke genutzt würde. Eine private Nutzung ist daher nicht zu
versteuern.
Konsequenz Das
Urteil ist erfreulich für die Praxis, aber leider noch nicht
endgültig. Die Revision ist beim BFH anhängig. In vergleichbaren
Fällen sollte daher Einspruch eingelegt und unter Verweis auf das
anhängige Verfahren das Ruhen des Verfahrens beantragt werden,
sofern eine private Nutzung tatsächlich unterblieben ist. Der Logik
des FG folgend, müsste es bei einem ledigen Unternehmer hierzu
ausreichen, wenn ihm ein weiteres gleichwertiges Fahrzeug im privaten
Bereich zur Verfügung steht. Bis zum Urteil des BFH sollte, wenn
möglich, jedoch in der Praxis nicht auf die Führung eines
Fahrtenbuches verzichtet werden.
20. Unternehmereigenschaft
juristischer Personen des öffentlichen Rechts
Einführung Juristische
Personen des öffentlichen Rechts sind nach dem UStG nur im Rahmen
ihrer Betriebe gewerblicher Art bzw. ihrer land- oder
forstwirtschaftlichen Betriebe unternehmerisch tätig. Der BFH hatte
nun zu prüfen, ob diese Regelung den Vorgaben der MwStSystRL
entspricht.
Fall Eine
Flussgenossenschaft lies durch eine GmbH Klärschlamm zu
Brennmaterial verarbeiten und vertreiben. Hierfür zahlte sie der
GmbH einen Zuschuss zum Ausgleich des sonst entstehenden Verlustes.
Die Flussgenossenschaft war mehrheitlich an der GmbH, der späteren
Klägerin, beteiligt. Zur Aufarbeitung des Klärschlamms pachtete die
Klägerin eine Trocknungsanlage von der T-GmbH, an der die
Flussgenossenschaft ebenfalls mehrheitlich beteiligt war. Darüber
hinaus erbrachte die Flussgenossenschaft Dienstleistungen gegen
Entgelt gegenüber der Klägerin. Das Finanzamt unterwarf den
Zuschuss der Umsatzsteuer. Hiergegen brachte die Klägerin vor, dass
der Zuschuss, sofern dessen Steuerbarkeit unterstellt werde, als
nicht steuerbarer Innenumsatz im Rahmen einer Organschaft zwischen
ihr und der Flussgenossenschaft zu behandeln sei.
Neues Urteil Nach
Ansicht des BFH sind die Leistungen, die die Klägerin gegenüber der
Flussgenossenschaft erbracht hat, grundsätzlich steuerbar.
Allerdings kann die Flussgenossenschaft als Körperschaft des
öffentlichen Rechts Organträger sein, wenn sie unternehmerisch
tätig ist. Dies setzt voraus, dass "sie Leistungen gegen
Entgelt auf privatrechtlicher Grundlage erbringt". Als solche
waren die gegenüber der Klägerin erbrachten Dienstleistungen
anzusehen. Die finanzielle und organisatorische Eingliederung der
Klägerin in die Flussgenossenschaft sah der BFH als gegeben an. Die
wirtschaftliche Eingliederung könnte sich mittelbar über die T-GmbH
ergeben, sofern diese ebenfalls Organgesellschaft der
Flussgenossenschaft sei. Um dies zu prüfen, verwies der BFH das
Verfahren zurück an das FG, gab diesem aber mit auf den Weg, dass es
diesbezüglich unerheblich sei, ob die Flussgenossenschaft die von
der Klägerin bezogenen Leistungen für nichtunternehmerische Zwecke
verwende.
Konsequenz Allein
der Umstand, dass der Fall nach Zurückverweisung durch den BFH nun
zum dritten Mal dem FG vorliegt, zeigt dessen Komplexität.
Körperschaften des öffentlichen Rechts müssen beachten, dass sie,
abweichend vom Wortlaut des UStG, unternehmerisch tätig werden, wenn
sie den "Rahmen der eigens für sie geltenden öffentlichen
Regelungen" verlassen.
21. Keine Altregelung der
Ansparabschreibung für Freiberufler im Jahr 2007
Kernproblem Zur
Finanzierung des Unternehmensteuerreformgesetzes 2008 wurde u. a. die
Ansparabschreibung in einen Investitionsabzugsbetrag umgestaltet. Die
Neuregelung ist mit mehreren Nachteilen versehen. Als eine
wesentliche Änderung ist hier zu nennen, dass die Rücklage im Jahr
der ursprünglichen Bildung rückgängig zu machen ist, soweit die
beabsichtigte Investition nicht getätigt wird. Zudem wurden die an
eine Bildung knüpfenden Größenmerkmale verschärft. So ist bei der
Gewinnermittlung mittels Einnahmen-Überschussrechnung eine
Gewinngrenze von 100.000 EUR eingeführt (mittlerweile ist diese
zwischen den Jahren 2008 und 2010 auf 200.000 EUR erhöht worden).
Für eine Bildung im Jahr der Verabschiedung des Gesetzes (2007) war
bis jetzt umstritten, ab wann die ungünstigere Neuregelung für
Freiberufler galt.
Sachverhalt Ein
Tierarzt hatte in seiner Gewinnermittlung für das Jahr 2007 die alte
Ansparabschreibung beantragt. Das Finanzamt lehnte den Abzug mit
Hinweis auf die Neuregelung ab. Diese wiederum kam nicht zum Ansatz,
weil der Gewinn die Größenmerkmale überschritt. Nach Auffassung
des Tierarztes erfolgte dies zu Unrecht, denn nach der
Übergangsregelung fand die Neuregelung erstmals bei Bilanzierenden
für solche Wirtschaftsjahre Anwendung, die nach dem 17.8.2007
endeten. Soweit das Gesetz keine Sonderregelungen vorsah, sollte es
grds. erst ab 2008 gelten. Hierauf berief sich der Tierarzt, denn bei
ihm gäbe es nur einen Gewinnermittlungszeitraum, kein
Wirtschaftsjahr. Der BFH entschied jetzt in einem
Aussetzungsverfahren.
Entscheidung des
BFH Nach der Auffassung des BFH verfügen Steuerpflichtige,
die Einkünfte aus selbstständiger Arbeit erzielen, über ein mit
dem Kalenderjahr identisches Wirtschaftsjahr. Die Richter begründen
dies auch mit dem Wortlaut der Neuregelung, denn andernfalls sei die
Inanspruchnahme des Investitionsabzugsbetrages für Freiberufler
gänzlich ausgeschlossen. Der Abzugsbetrag knüpfe daran, dass der
"Betrieb" (also auch der Steuerpflichtige mit Einkünften
aus selbstständiger Arbeit) am Schluss des Wirtschaftsjahres, in dem
der Abzug vorgenommen werde, bestimmte Größenmerkmale nicht
überschreite. Gäbe es für Freiberufler kein Wirtschaftsjahr, könne
dieser Personenkreis die Voraussetzungen nicht erfüllen. Das sei mit
dem Willen des Gesetzgebers nicht vereinbar.
Konsequenz Dem
Tierarzt blieb die Ansparabschreibung ebenso verwehrt wie der
Investitionsabzugsbetrag.
22. Leerstand:
Vermietungsabsicht setzt zielgerichtete Maßnahmen voraus
Einleitung Nach
§ 9 EStG sind Werbungskosten Aufwendungen zur Erwerbung, Sicherung
und Erhaltung der Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung, wenn sie
durch sie veranlasst sind. Fallen solche Aufwendungen schon an, bevor
mit dem Aufwand zusammenhängende Einnahmen erzielt werden, können
sie als vorab entstandene Werbungskosten berücksichtigt werden, wenn
ein ausreichend bestimmter wirtschaftlicher Zusammenhang zwischen den
Aufwendungen und der Einkunftsart besteht. Aufwendungen für eine
leer stehende Wohnung können als vorab entstandene Werbungskosten
abziehbar sein, wenn der Steuerpflichtige sich endgültig
entschlossen hat, daraus durch Vermieten Einkünfte zu erzielen und
diese Entscheidung später nicht wieder aufgegeben hat. Diese
Einkünfteerzielungsabsicht muss sich anhand ernsthafter und
nachhaltiger Vermietungsbemühungen des Steuerpflichtigen belegen
lassen.
Sachverhalt Der
Kläger errichtete in 1976 ein Wohn- und Geschäftsgebäude. EG und
1. OG wurden seitdem vermietet. Im Übrigen stehen mehrere Wohnungen
seit 1976 durchgängig leer. Bei der Veranlagung 2003 erkannte das
Finanzamt - und ihm folgend das FG - die auf die leer stehenden Räume
entfallenden Aufwendungen mangels ernsthafter Vermietungsabsicht
nicht als Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und
Verpachtung an.
Entscheidung Der
BFH entschied, dass die im Zusammenhang mit den seit Jahren leer
stehenden Räumen angefallenen Aufwendungen nicht als Werbungskosten
bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung zu berücksichtigen
sind. Zeigt sich aufgrund bislang vergeblicher Vermietungsbemühungen,
dass für das Objekt, so wie es baulich gestaltet ist, kein Markt
besteht und die Immobilie deshalb nicht vermietbar ist, so muss der
Steuerpflichtige zielgerichtet darauf hinwirken, unter Umständen
auch durch bauliche Umgestaltungen einen vermietbaren Zustand des
Objekts zu erreichen. Bleibt er untätig und nimmt den Leerstand auch
künftig hin, spricht dieses Verhalten gegen den endgültigen
Entschluss zu vermieten oder für dessen Aufgabe. Weil es der Kläger
unterließ, auf den fehlenden Markt durch bauliches Umgestalten zu
reagieren und den Leerstand der Räume vielmehr jahrelang hinnahm,
schloss der BFH, der Kläger habe seinen Vermietungsentschluss
aufgegeben.
Konsequenz Besteht
seitens des Steuerpflichtigen die Vermietungsabsicht, so sollte dies
durch entsprechende entgegenwirkende Maßnahmen dokumentiert werden.
23. Haftung von
Bau-Generalunternehmern für Insolvenzgeld
Kernfrage/Rechtslage Das
Arbeitnehmerentsendegesetz sieht eine Bürgenhaftung des
(Haupt)Unternehmers in der Baubranche im Hinblick auf den Mindestlohn
der Arbeitnehmer der von ihm eingesetzten Nachunternehmer vor. Diese
gesetzliche Bürgenhaftung gilt auch bei Insolvenz des
Nachunternehmers. Das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg hatte
nunmehr darüber zu entscheiden, ob und in welchem Umfang diese
Bürgenhaftung auch für an die Arbeitnehmer des Nachunternehmers
gezahltes Insolvenzgeld gilt.
Entscheidung Einer
der Nachunternehmer der beklagten Bau-Generalunternehmerin (= GU)
meldete Insolvenz an. Die auf den Baustellen der GU eingesetzten
Arbeitnehmer des Nachunternehmers beantragten bei der Bundesagentur
Insolvenzgeld. Die Bundesagentur nahm die GU im Anschluss auf
Erstattung des an die Arbeitnehmer gezahlten Insolvenzgelds in Höhe
des Netto-Mindestlohns von rund 18.300 EUR in Anspruch und gewann vor
dem Landesarbeitsgericht. Der Erstattungsanspruch der Bundesagentur
bestehe aufgrund der gesetzlichen Bürgenhaftung der GU, die auf die
Zahlung des Mindestlohnes gerichtet sei. Wird der Nachunternehmer
zahlungsunfähig und erhalten seine Arbeitnehmer daher Insolvenzgeld,
so gehen deren Mindestlohnansprüche, die die GU verbürgt, auf die
Bundesagentur über. Dabei muss die Bundesagentur im Rahmen der
Inanspruchnahme des Bürgen auch nicht die tarifvertraglichen
Ausschlussfristen beachten.
Konsequenz Mit
der Entscheidung wird die Haftung des Generalunternehmers
ausgeweitet. Letztlich trägt er auch im Hinblick auf
Sozialleistungen, die dem Unternehmen des Nachunternehmers zugute
kommen, das volle Insolvenzrisiko. Ob sich der Generalunternehmer
hiergegen absichern kann, ist zweifelhaft. Die Revision ist
zugelassen, das Urteil somit noch nicht rechtskräftig.
24. Arbeitgeber dürfen
Sonntagsarbeit anordnen
Kernfrage/Rechtslage Über
das gesetzlich verankerte Weisungsrecht dürfen Arbeitgeber einseitig
Arbeitsbedingungen festlegen, wenn keine besonderen Regelungen aus
Gesetz, Tarif- oder Arbeitsvertrag bestehen. Dies betrifft auch die
Verteilung der Arbeitszeit. Das Bundesarbeitsgericht hatte nunmehr
darüber zu entscheiden, wie weit das Weisungsrecht im Hinblick auf
die Verteilung der Arbeitszeit (hier: Anordnung von Sonn- und
Feiertagsarbeit) reicht.
Entscheidung Der
Kläger war über 30 Jahre beim beklagten Arbeitgeber auf der
Grundlage einer 40-Stunden-Woche ohne weitere Konkretisierung der
Arbeitszeit beschäftigt. Nach entsprechender aufsichtsbehördlicher
Genehmigung ordnete der Arbeitgeber Sonn- und Feiertagsarbeit an. Mit
seiner Klage begehrte der Kläger die Feststellung, dass er nicht zur
Sonn- und Feiertagsarbeit verpflichtet sei, weil ohne ausdrückliche
arbeitsvertragliche Regelung keine Pflicht zur Sonn- und
Feiertagsarbeit bestehe. Außerdem habe er auf die jahrzehntelange
abweichende Übung vertrauen dürfen, nur an Werktagen arbeiten zu
müssen. Das Bundesarbeitsgericht gab dem Arbeitgeber Recht. Er könne
im Rahmen der gesetzlichen, kollektivrechtlichen und
einzelvertraglichen Grenzen die Verteilung der Arbeitszeit auf die
einzelnen Wochentage kraft Direktionsrecht frei festlegen. Das
Weisungsrecht war auch nicht durch den Arbeitsvertrag beschränkt.
Bei Fehlen einer ausdrücklichen Regelung über die Verteilung der
Arbeitszeit sei regelmäßig davon auszugehen, dass die nähere
Festlegung der Arbeitszeitverteilung dem Arbeitgeber überlassen sein
soll. Dies sei keine unklare oder überraschende Regelung. Auch die
Tatsache, dass über 30 Jahre keine Sonn- und Feiertagsarbeit erfolgt
sei, wirke nicht zugunsten des Klägers. Durch bloßen Zeitablauf
tritt noch keine entsprechende Konkretisierung des Arbeitsvertrags
ein.
Konsequenz Selbst
wenn im Arbeitsvertrag eine ausdrückliche Regelung über die
Verteilung der Arbeitszeit fehlt, kommt auch bei jahrzehntelanger
Beschränkung der Arbeitszeit auf Werktage grundsätzlich kein
dauerhafter Ausschluss von Sonn- und Feiertagsarbeit in Betracht.
25. OLG Rostock:
Qualifizierte Schriftformklausel verstößt gegen § 307 BGB
Kernfrage/Rechtslage So
genannte doppelte Schriftformklauseln sollen sicherstellen, dass
mündliche Vereinbarungen im Rahmen eines Vertragsverhältnisses
nicht wirksam werden können. Denn eine einfache Schriftformklausel,
also die Regelung, wonach "Änderungen und Ergänzungen"
schriftlich vereinbart werden müssen, kann mündlich aufgehoben
werden. Klassisches Beispiel ist die sog. betriebliche Übung im
Arbeitsrecht, durch die der Arbeitnehmer wegen der bloßen
wiederholten Leistung des Arbeitgebers einen Anspruch erwirbt, obwohl
dadurch der Arbeitsvertrag geändert wird. Dieser Anspruch entfällt
nicht, weil die Parteien des Arbeitsvertrages eine einfache
Schriftformklausel vereinbart haben.
Entscheidung Die
Parteien stritten über die Wirksamkeit einer nur mündlich
geschlossenen Aufhebungsvereinbarung über ein
Gewerbe-Mietverhältnis. Der zwischen den Parteien geschlossene
Mietvertrag über Gewerberäume enthielt eine Regelung, wonach
"Änderungen und Ergänzungen dieses Vertrages" der
Schriftform bedürfen. Darüber hinaus sollte auch die Aufhebung der
Schriftformklausel der Schriftform bedürfen. Das OLG Rostock
entschied zugunsten desjenigen, der sich auf die mündliche
Aufhebungsvereinbarung berief, weil es die doppelte
Schriftformklausel des Mietvertrages als unwirksam erachtete. Sie
verstoße als überraschende Klausel gegen die gesetzlichen
Regelungen zu Allgemeinen Geschäftsbedingungen. Eine
Schriftformklausel, die nicht nur für Vertragsänderungen die
Schriftform vorschreibt, sondern auch Änderungen der
Schriftformklausel ihrerseits der Schriftform unterstellt, erwecke
den Eindruck, als könne sie nicht durch eine die Schriftform nicht
wahrende Vereinbarung abbedungen werden. Sie käme dann einer
konstitutiven Schriftformklausel gleich und verstoße damit gegen den
Grundsatz des Vorrangs einer Individualvereinbarung.
Konsequenz Die
Entscheidung liegt auf einer Linie mit bereits bestehenden Urteilen
zur Unwirksamkeit von doppelten Schriftformklauseln. Wenn eine solche
Klausel in einem Formularvertrag (mehr als zweimalige Verwendung des
Vertrages) enthalten ist und damit den Regelungen der Allgemeinen
Geschäftsbedingungen unterliegt, dann ist sie unwirksam. Wirksam ist
sie nur, wenn sie einer individuellen Vereinbarung der Parteien
entspricht. Dies wird man aber bei Vertragsschluss so ausdrücklich
festhalten und dokumentieren müssen.
26. AdV-Verfahren:
Anordnung einer Sicherheitsleistung
Kernaussage Wird
die Aussetzung der Vollziehung einer Steuerfestsetzung von einer
Sicherheitsleistung abhängig gemacht, muss diese wirtschaftlich
zumutbar sein.
Sachverhalt Die
mit einem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung verbundene
Verfassungsbeschwerde betrifft ein Verfahren der
Umsatzsteuerfestsetzung. Streitig war, ob das Finanzgericht im
einstweiligen Rechtsschutzverfahren die Aussetzung der Vollziehung (§
69 Abs. 3 Satz 1 i. V. m. Abs. 2 Satz 3 FGO) von einer
Sicherheitsleistung abhängig machen durfte. Die
umsatzsteuerpflichtige Beschwerdeführerin, eine GmbH, rügte mit
ihrer Verfassungsbeschwerde, dass einem Steuerpflichtigen, dessen
wirtschaftlichen Verhältnisse eine Sicherheitsleistung nicht
zuließen, der Rechtsvorteil der Aussetzung trotz ernstlicher Zweifel
an der Rechtmäßigkeit des Steuerbescheides grundsätzlich nicht
versagt werden dürfe.
Entscheidung Das
Bundesverfassungsgericht entschied, dass das FG die Anordnung der
Sicherheitsleistung verfassungsrechtlich nicht tragfähig begründet
hatte. Unter Verkennung der Garantie effektiven Rechtsschutzes
(Artikel 19 Abs. 4 GG) hatte sich das FG lediglich auf abstrakte
Erwägungen zurückgezogen. Es vertrat die Ansicht, dass von einer
Sicherheitsleistung dann nicht abzusehen sei, wenn es um
Steuerforderungen gehe, die laufend entstünden, weil das
steuerpflichtige Unternehmen dann laufend Erlöse zurückhalten und
diese als Sicherheitsleistung zur Verfügung stellen könne. Es führt
indes zu einer unzumutbaren Beschränkung des Rechtsschutzes, wenn
das FG annimmt, die Sicherheitsleistung sei stets aus den laufend
vereinnahmten Umsatzsteuerbeträgen zu erbringen. Dass in Fällen
einer aus laufend vereinnahmten Steuern resultierenden Steuerschuld
die Leistung einer Sicherheit nie zu einer unbilligen Härte führen
kann, war nicht erkennbar. Das FG hatte sich nicht mit dem Umstand
auseinandergesetzt, dass ein Unternehmer die laufend und künftig
vereinnahmte Umsatzsteuer schon deshalb nicht als Sicherheitsleistung
für alte Steuerschulden nutzbar machen kann, weil er diese Gelder
als Steuern abführen muss.
Konsequenz Bei
der Entscheidung über eine Sicherheitsleistung sind stets die
individuellen Umstände des Steuerpflichtigen zu berücksichtigen.
Die pauschale Entscheidung, bei fortlaufend veranlagten und
festgesetzten Steuern (LSt, USt) unabhängig von den wirtschaftlichen
Verhältnissen in der Regel nicht von einer Sicherheitsleistung
abzusehen, beschränkt den Rechtsschutz der Steuerpflichtigen
unzumutbar.
Für Rückfragen stehen
wir Ihnen selbstverständlich gerne zur Verfügung.
Mit freundlichen Grüßen
Stephan Gißewski
Steuerberater
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